Großkatzen und ihre Raubtiere (2020)

  • 8/10
    dero­fa Durch­schnitts­wer­tung - 8/10
8/10

Aus­ge­zeich­net

Die neue True-Crime-Doku und Net­flix-Serie “Tiger King” ist in aller Munde.

Mitt­ler­wei­le in den Top 10 der Net­flix-Charts gelan­det, fas­zi­niert und schockt sie die Zuschau­er gleichermaßen.

Was es mit der Serie, um den eben­so exzen­tri­schen wie bizar­ren Pri­vat­zoo-Betrei­ber Joe Exo­tic auf sich hat und war­um “Tiger King” trotz dem Fokus auf Men­schen, für das Leid der Tie­re sen­si­bi­li­siert, ver­ra­ten wir im Review zu “Groß­kat­zen und ihre Raubtiere”.

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Gen­re: True Crime

Ori­gi­nal­ti­tel: Tiger King: Mur­der, May­hem and Madness

Pro­duk­ti­ons­land: USA

Pro­duk­ti­ons­un­ter­neh­men: Netflix

Regie: Eric Goo­de, Rebec­ca Chaiklin

Pro­duk­ti­on: Chris Smith, Fisher Ste­vens, Eric Goo­de, Rebec­ca Chaiklin

Musik: Mark Mothers­bau­gh, John Enroth, Albert Fox, Robert Mothersbaugh

Län­ge: 7 Epi­so­den je ca. 45-50 Minu­ten, 1 Spe­cial (“After­show”) 40 Minuten

Alters­frei­ga­be: 16 (lt. Netflix)

Wer­tung:   

Autor: Jayes

Ver­fasst am: 18.04.2020


Joe Exotic

Mit “Tiger King” oder “Groß­kat­zen und ihre Raub­tie­re” erreicht uns eine Net­flix-Doku, die über Nacht zum Phä­no­men gewor­den ist. Den Löwen­an­teil dar­an hat sicher der Exzen­tri­ker Joseph Schreib­vo­gel aka Joe Exo­tic, wie die Haupt­per­son der neu­en sie­ben­tei­li­gen True-Crime-Doku-Serie aus dem Hau­se Net­flix heißt.

Die Doku erzählt sei­ne Geschich­te. Es ist eine Geschich­te die so absurd ist, als hät­te man sie erfun­den und wür­de selbst dann noch fra­gen: “Wer hat sich die­sen Wahn­sinn ausgedacht?!”

Joe Exo­tic - beken­nen­der homo­se­xu­el­ler Vokuhi­la-Trä­ger - ist abso­lut ver­rückt, nein völ­lig wah­sin­nig, eigent­lich müss­te man wei­te­re Stei­ge­rungs­for­men die­ser Bezeich­nun­gen erfin­den, um tref­fend genug zu beschrei­ben, wie grö­ßen­wahn­sin­nig er ist und wie sehr er den Ver­stand ver­lo­ren hat.

Doch immer der Rei­he nach. Wor­um geht es in “Tiger King” überhaupt?


Joe Exo­tic mit einem sei­ner Tiger

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©Net­flix

Wer sind hier die Raubtiere?

Die Doku­men­ta­ti­on por­trä­tiert haupt­säch­lich das Leben von Joe Exo­tic, dem Betrei­ber eines Pri­vat­zoos mit Groß­kat­zen in Wyn­ne­wood, Okla­ho­ma, USA.

Die Regis­seu­re von “Tiger King”, Rebec­ca Chaik­lin und Eric Goo­de, hat­ten sich im Jahr 2015 zum Ziel gesetzt, eine Doku über das Tier­leid, die Aus­beu­tung und den Tier­han­del, in und um ame­ri­ka­ni­sche Pri­vat­zoos zu pro­du­zie­ren.[1]

Als sie im Ver­lau­fe der Auf­nah­men jedoch bemerk­ten, mit was für Men­schen sie es hier eigent­lich zu tun hat­ten, änder­ten sie ihre Plä­ne und ent­wi­ckel­ten letzt­end­lich eine Serie, die haupt­säch­lich die Feh­de zwi­schen Joe Exo­tic und der selbst­er­nann­ten Tier­schüt­ze­rin Caro­le Bas­kin von der Orga­ni­sa­ti­on “Big Cat Res­cue”, the­ma­ti­siert.[2] Die­se hält selbst Groß­kat­zen in Käfi­gen, ver­kauft es aber erfolg­reich als “Nonprofit”-Tierschutz.

Zusätz­lich rich­ten die Macher ihren Blick auf einen Mann, der Doc Ant­le genannt wird und auch einen Pri­vat­zoo betreibt, sowie wei­te­re Tier­händ­ler oder Weggefährten.

Wer glaubt es gin­ge in “Tiger King” vor­ran­gig um einen ein­fa­chen Streit zwi­schen Tier­schüt­zern und Zoo­be­trei­bern, der irrt gewal­tig. Im Ver­lau­fe der Serie, kom­men vie­le Gescheh­nis­se zum Vor­schein, die man nicht erwar­tet hät­te. Kri­mi­nel­le Machen­schaf­ten wie Betrug, bis hin zu Auf­trags­mord gehen Hand in Hand mit kurio­sen Lebens­sti­len und chao­ti­schen Zuständen.

In die­ser unge­wöhn­li­chen True-Crime-Geschich­te ist viel ver­rück­tes dabei. Nicht umsonst ent­hält die Serie den Bei­ti­tel “Mur­der, May­hem and Mad­ness” (dt. Mord, Cha­os und Wahnsinn).


Die zen­tra­len Per­so­nen - Joe Exo­tic, Caro­le Bas­kin, Doc Ant­le und Jeff Lowe

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Gangart der Produzenten

Was glaubst du?

Beson­ders posi­tiv fällt auf, dass die Doku nach dem Prin­zip der Neu­tra­li­tät, dem Zuschau­er Anrei­ze schafft und Indi­zi­en bereit stellt, sich aber nie wirk­lich auf eine Sei­te stellt und kei­ne blo­ßen Behaup­tun­gen auf­stellt. “Tiger King” ver­ur­teilt also nie­man­den direkt, son­dern bil­det Per­spek­ti­ven ab, damit der Zuschau­er sich sei­ne eige­nen The­sen zusam­men spin­nen kann.

Auch wenn eini­ge der gezeig­ten Per­so­nen im Nachin­ein unzu­frie­den mit den Dar­stel­lun­gen von sich selbst waren, ist der Doku Unfair­ness nicht vor­zu­wer­fen. Auch wenn eine klei­ne Por­ti­on rei­ße­ri­sche Insze­nie­rung eben sein muss, um Span­nung auf­zu­bau­en - letz­ten Endes bil­det “Tiger King” nur ab.[3]

Kritische Auseinandersetzung

Wie die selbst­er­nann­te Schüt­ze­rin von Groß­kat­zen, Carol Bes­kin von “Big Cat Res­cue”, in den Fokus gerückt wur­de und kri­tisch hin­ter­fragt wur­de, mach­te beson­ders Spaß. Die hat­te sich wohl auf eine Lob­prei­sung ihrer groß­ar­ti­gen Ver­diens­te als Tier­schüt­ze­rin, in Form einer rüh­ren­den Doku-Sto­ry über ihre Orga­ni­sa­ti­on gefreut. Letz­ten Endes bekam sie aber nichts als knall­har­te, neu­tra­le Bericht­erstat­tung vor­ge­setzt und damit den Spie­gel vorgehalten.

Eben­so inter­es­sant war der Ansatz, der im Bezug auf das Zucht­ver­bot von Groß­kat­zen von einem Betrei­ber ange­merkt wur­de. Es gäbe kei­nen Lebens­raum mehr für die­se Tie­re, was wäre also sinn­vol­ler als sie zu züch­ten, um ihre Art zu erhal­ten? “Tiger King” lässt eben bei­de Sei­ten zu Wort kommen.

Häu­fig wur­de kri­ti­siert, im übri­gen auch von der Tier­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on PETA, die Pro­du­zen­ten lie­fen Gefahr, die Zustän­de zu veherr­li­chen, gar zu glo­ri­fi­zie­ren, anstatt die­se zu kri­ti­sie­ren.[4]

Man möch­te also mei­nen die Pro­du­zen­ten wären mit ihrer Ände­rung der Kon­zep­tio­nie­rung der Serie weit vom eigent­lich Ziel abge­drif­tet. War­um ich da ande­rer Mei­nung bin, ver­ra­te ich im Fazit.


Die Frau hin­ter “Big Cat Res­cue”, Carol Beskin

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Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Was alles so mög­lich ist in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, da kann man als Euro­pä­er schon mal fas­sungs­los sein, wenn man sich die Serie ansieht.

Der “Lebens­stil” der “Groß­kat­zen-Sze­ne” der gezeigt wird, das Ver­hal­ten und die Über­zeu­gun­gen, wel­che die Men­schen ver­tre­ten, waren teil­wei­se unwirk­lich. Auch den Rah­men den das Gesetz vor­gibt, ist für euro­päi­sche Ver­hält­nis­se unglaub­lich. Das betraf nicht nur Joe Exo­tic son­dern auch vie­le wei­te­re Hal­ter von exo­ti­schen Tie­ren. In Bezug auf die Waf­fen­ge­set­ze, kann man sowie­so nur erschaudern.

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Doch wie sieht das genau aus? Wie könn­te zum Bei­spiel ein rela­tiv nor­ma­ler Tag im Leben von Joe Exo­tic aus­se­hen? Eine klei­ne über­spitz­te Aus­sicht möch­ten wir uns hier leisten.

Es ist füh am Mor­gen, wo sonst der Hahn kräht brül­len hier die Löwen. Ab ins Gehe­ge, die Kätz­chen wol­len schließ­lich anstän­dig ver­sorgt und geku­schelt wer­den. Ich dach­te immer die bei­ßen?! Egal, Haupt­sa­che ihr habt alles auf Band. Anschlie­ßend mit dem Truck los und auf dem Bei­fah­rer­sitz den Tiger mit im Gepäck, wo liegt das Problem?

Oder mal eben auf Crys­tal Meth Fall­schirm sprin­gen gehen, zum nächs­ten Shop oder gleich bei Walm­art vor­bei und ein paar Schuss Muni­ti­on gekauft. Möch­ten sie noch Spreng­stoff dazu, fragt der net­te Herr hin­ter dem Tre­sen? Anschlie­ßend gepflegt mit der auto­ma­ti­schen Waf­fe, in den haus­ei­ge­nen See gebal­lert oder gleich den Crash­test-Dum­my mal­trä­tiert und/oder wahl­wei­se in die Luft gesprengt. Um das gebühr­lich zu fei­ern, alles direkt auf You­tube hoch­ge­la­den. Alles nor­mal in der Welt von “Tiger King”.

Doch Spaß bei Sei­te. Die Serie bil­det Extre­me ab, so viel ist klar.


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Fazit - Außergewöhnliches True-Crime-Futter

“Tiger King” war ein völ­lig absur­der Aus­flug in eine Art von mensch­li­chen Abgrund, den wir SO zuvor noch nicht gese­hen hatten.

Selbst wenn die Geschich­te von Joseph Schreib­vo­gel mit die­ser Doku nun ihr Ende gefun­den haben soll­te, eins muss man ihm wirk­lich las­sen - sein Leben war wahr­lich außer­ge­wöhn­lich exotisch.

Die Macher von “Tiger King” leg­ten mit die­ser Doku den Fokus zwar nicht auf die Tie­re, son­dern auf die Men­schen, doch ist es gera­de das, was zum Nach­den­ken dar­über anregt, wel­che Rol­le die Tie­re bei dem gan­zen Infer­no gespielt haben. Obwohl so wirk­lich jedes Geschöpf der Doku, bis auf die Tie­re, sein Schick­sal selbst her­aus­ge­for­dert hat, fühlt man den­noch, neben den armen Tie­re, auch ein Stück weit mit die­sen bemit­lei­dens­wer­ten Freaks mit, weil sie es ein­fach nicht bes­ser wissen.

An Vor­zei­ge-Meis­ter­wer­ke im True-Crime-Gen­re wie “Making a Mur­de­rer” kommt “Tiger King” nicht her­an, ein­fach weil die Sto­ry eine gerin­ge­re Trag­wei­te hat. Eines wird den­noch vor­treff­lich klar: Die Spe­zi­es Mensch hat zumin­dest in Tei­len, schein­bar völ­lig den Ver­stand verloren.

Zum Ende hin bekom­men gera­de durch die Art von Cha­rak­ter­stu­die die “Tiger King” ist, auch die Tie­re, deren Schick­sal zu Beginn ja das Haupt­mo­tiv sein soll­te, ihre Büh­ne. Denn was bil­det vor­treff­li­cher deren Leid auf die­ser Welt ab, als die­se wahn­sin­nig ver­korks­ten Men­schen mit denen sie leben müssen?

Einer bekommt am Ende was er ver­dient. Doch alle ande­ren war­ten noch auf ihre ver­dien­te Por­ti­on Karma.


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https://rp-online.de/kultur/film/tiger-king-netflix-doku-ist-ein-skurriles-medienphaenomen_aid-49973055

 

2 Gedanken zu „Großkatzen und ihre Raubtiere (2020)“

  1. Super Review! Alle wesent­li­chen Merk­ma­le der Doku-Serie wur­den genannt, auch wenn ich mit der Krö­nung die­ser Doku-Pro­duk­ti­on nicht ganz ein­ver­stan­den bin. 

    Ver­steht mich nicht falsch, die Serie hat Poten­ti­al und zeigt mit ihren absur­den Bil­dern das wah­re Leben in Ame­ri­kas Tier­parks, den­noch fin­de ich den Hype um die­se Serie viel zu über­holt. Die Geschich­te ist amü­sant, scho­ckie­rend und pro­vo­kant zugleich doch, das allei­ne reicht nicht aus um eine gute Doku­men­ta­ti­on zu sein. In Bezug auf den True-Crime Part fin­de ich zudem das die­ser zu mager aus­fällt und nur in eini­gen Epi­so­den sei­ne Prä­senz zeigt. Joe Exo­tic und Co. blei­ben (hier­mit steht fest) selbst eine außer­ge­wöhn­li­che Spe­zi­es von Mensch und mehr auch nicht.

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