Arise: A Simple Story (2019)

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Lieb­lings­spiel

Mit “Ari­se: A Simp­le Sto­ry” prä­sen­tiert das spa­ni­sche Ent­wick­ler­team von “Pic­co­lo Stu­dio” ein Action-Adven­ture der beson­de­ren Art.

Wahl­wei­se allei­ne oder zu zweit, tre­ten die Spie­ler eine emo­tio­na­le Rei­se durch das Leben eines weiß­bär­ti­gen Man­nes an, in der sie Zeit und damit auch die Land­schaft beein­flus­sen. Das Ergeb­nis ist eine Ach­ter­bahn­fahrt der Gefüh­le, wie sie nur das Leben selbst zu schrei­ben vermag.

War­um das Indie-Kunst­werk aus dem son­ni­gen Bar­ce­lo­na, für uns ganz sim­pel Poe­sie in Video­spiel­form ist, ver­ra­ten wir Euch im fol­gen­den Test zu “Ari­se: A Simp­le Story”.

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Gen­re: Action-Adven­ture, Puz­zle, Jump ’n’ Run

Ori­gi­nal­ti­tel: Ari­se: A Simp­le Story

Pro­duk­ti­ons­land: Spanien

Entwicklerstudio/Publisher: Pic­co­lo Stu­dio / Techland

Musik: David Garcia

Spiel­mo­dus: Ein­zel­spie­ler, Mehr­spie­ler (Koop-Modus für bis zu 2 Spieler)

Spiel­zeit: ca. 4 Stun­den (Sto­ry), ca. 6 Stun­den (100% + Trophäen/Erfolge)

Platt­for­men: Play­Sta­ti­on 4, Xbox One, PC (Stand: 10.05.2020)

Alters­frei­ga­be: USK 6

Wer­tung:  

Test­platt­form: Play­Sta­ti­on 4

Autor: Jan­nik

Ver­fasst am: 03.05.2020


Mit Nadel und Faden

Ein drei­köp­fi­ges Team aus Ent­wick­lern tut sich als “Pic­co­lo Stu­dio” (“klei­nes Stu­dio”) zusam­men. Sie möch­ten etwas schaf­fen, auf das sie sich selbst freu­en wür­den, nach­dem sie den Fun­ken der Begeis­te­rung bei gro­ßen Stu­di­os ver­lo­ren hat­ten.[1]

Auf ihrer Web­site schrei­ben sie über sich selbst:

We were making money and win­ning awards, but it was­n’t ful­fil­ling. Making video games had always been a child­hood dream, so we went for it.Pic­co­lo Studio

Mit “Ari­se: A Simp­le Sto­ry” ver­öf­fent­li­chen sie nun ihr Stu­dio-Debüt. Ihr Logo ist gleich­zei­tig - so scheint es - auch ihr Mot­to. Alles in Hand­ar­beit, alles hand­ge­macht. Ein ver­schnör­kel­ter Schrift­zug  sym­bo­lisch als Nadel eröff­net und die Buch­sta­ben als Faden geschwun­gen. Wie sie selbst sagen, machen sie nicht ein­fach Video­spie­le, sie fer­ti­gen sie an.[2]

Wie gut das Stu­dio es ver­steht, die­se Ein­stel­lung auf ihre Spie­le zu über­tra­gen, zeigt nun “Ari­se: A Simp­le Sto­ry”. Kei­ne Spur von pom­pö­ser, prot­zi­ger Auf­ma­chung. Kei­ne Spur davon, Auf­merk­sam­keit erre­gen zu wol­len, um so um die Ziel­grup­pe zu buh­len. Statt­des­sen lei­se und beschei­den - trotz­dem präch­tig glanz­voll. Sie laden zu einem bit­ter­sü­ßen Aben­teu­er ein, wel­ches ohne Wor­te aus­kommt und den­noch so viel aus­sagt. Eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit für die Ent­wick­ler - die auch für uns zur Her­zens­an­ge­le­gen­heit wurde.

Wor­um es in “Ari­se: A Simp­le Sto­ry” geht, erfahrt Ihr im fol­gen­den Abschnitt.


We say we don’t make video games, we craft them.‘Pic­co­lo Studio
©
https://twitter.com/piccolo_studio

Die simple Geschichte des Lebens

Ein betag­ter Mann mit schnee­wei­ßem lan­gen Bart, liegt auf einem Bett aus Holz und Stei­nen. Um ihn her­um haben sich Men­schen ver­sam­melt. Sie sen­ken andäch­tig ihre Köp­fe, wäh­rend Flam­men begin­nen sei­nen Kör­per zu umhül­len. Doch auch wenn sei­ne Hül­le das irdi­sche Dasein ver­lässt, scheint noch etwas da zu sein.

Mit die­sem Moment eines Bestat­tungs­ri­tu­als, beginnt “Ari­se: A Simp­le Sto­ry”. Wir als Spie­ler haben die Ehre, noch ein­mal den Weg des weiß­bär­ti­gen Man­nes zu ver­fol­gen, zu sehen was er gese­hen hat, zu erle­ben was ihn berührte.

Wir bege­ben uns auf eine emo­tio­na­le Rei­se über Stock und Stein, über saf­ti­ge, grü­ne Wie­sen. Vor­bei an Bäu­men und Gesteins­for­ma­tio­nen. Ent­lang an Was­ser­fäl­len, beglei­tet von sum­men­den Bie­nen, in einem duf­ten­den Meer aus Son­nen­blu­men. Wir über­que­ren Seen, bestückt mit rosa­ro­ten Blü­ten, deren sat­te Far­ben die Trist­heit ver­trei­ben und ver­spü­ren solch ein Hoch, dass nicht nur unse­re Spiel­fi­gur gera­de­wegs in die Lüf­te steigt, son­dern die Gefüh­le gleich mit.

“Ari­se: A Simp­le Sto­ry” geht mit uns den Weg den einst der Mann im Lau­fe sei­nes Lebens bestritt. Durch alle Höhen und Tie­fen hin­weg. Durch die schöns­ten Momen­te und auch die schlimmsten.


Idyl­li­sche Wege, viel­fäl­ti­ge Vegetationen

©
https://www.games.ch/arise-a-simple-story/news/entwickler-wuerde-gerne-iNm/

Das simple Spielprinzip

Action-Adventure trifft Jump ’n’ Run trifft Puzzle

In “Ari­se: A Simp­le Sto­ry” nut­zen die Ent­wick­ler von “Pic­co­lo Stu­dio” ein rela­tiv simp­les und im Gen­re des Jump ’n’ Run gän­gi­ges Spiel­prin­zip, paa­ren die­ses aber mit einem ent­schei­den­den Kniff und einer wun­der­schö­nen, gar magi­schen Inszenierung.

Wir steu­ern die Haupt­fi­gur in einer drei­di­men­sio­na­len Umge­bung. Die meis­te Zeit hüp­fen wir in Jump ’n’ Run-Manier über Hin­der­nis­se. Manch­mal hän­gen wir uns an Ber­ge und erklim­men sie, oder nut­zen unse­ren Klet­ter­ha­ken. Soweit so spie­le­risch unspektakulär.

Doch der ent­schei­den­de Kunst­griff liegt lei­se und ver­schneit im rech­ten Ana­log-Stick ver­steckt und bringt so die Puz­zle-Kom­po­nen­te mit ins Spiel. Mit die­sem sind wir näm­lich zum Wäch­ter der Zeit aus­er­ko­ren. Schwen­ken wir ihn nach rechts, schrei­tet die Zeit vor­an, schwen­ken wir ihn nach links, spult die Zeit zurück. Mit­hil­fe der Schul­ter­tas­ten steht die Zeit im spä­te­ren Spiel­ver­lauf gezielt still.


Eine Samm­lung an Spiel­sze­nen aus “Ari­se: A Simp­le Story”

©
https://gamingmaster.ir/views/downloads-view.php?title=Arise:_A_Simple_Story

Eine Reise durch die Zeit

Durch die­se ent­schei­den­de Mecha­nik, ver­än­dern wir die Umge­bun­gen, die von den Jah­res­zei­ten und Umwelt­ein­flüs­sen geprägt sind und erschaf­fen so in Echt­zeit, ein völ­lig neu­es Gemäl­de als Spiel­platz für die Spielfigur.

In sei­ner Kom­ple­xi­tät und Her­aus­for­de­rung, stei­gert sich das Spiel zudem kon­ti­nu­ier­lich und bringt so immer wie­der neue Facet­ten mit ein. Geht es zu Beginn noch um das simp­le auf- und abtau­en eines Schnee­hau­fens, ver­än­dert sich spä­ter bei­na­he die gesam­te Umwelt, wenn Stein­fon­tä­nen neben einem weg­bre­chen oder per­fekt abge­fan­ge­ne Blit­ze die Dun­kel­heit erhel­len müssen.

Mit Beglei­ter im koope­ra­ti­ven und sin­nig getauf­ten “Zusam­men gehen Modus”, über­nimmt Spie­ler 2 übri­gens die Kon­trol­le über die Zeit. Dadurch ergän­zen sich die Spie­ler gegen­sei­tig und erle­ben die Rei­se gemeinsam.


Das Level “Frucht” bie­tet eine ganz beson­de­re Umge­bung, mit Raum für Interpretationen

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https://gamingmaster.ir/views/downloads-view.php?title=Arise:_A_Simple_Story

Die Genre-Kollegen

Uns erin­ner­te die­ses Spiel­prin­zip sofort an Gen­re­kol­le­gen wie “Never Alo­ne” (2014), in dem wir mit dem Iñu­pi­at-Mäd­chen Nuna und einem Polar­fuchs, durch eis­kal­te Gefil­de wan­der­ten und unse­re Fähig­kei­ten ver­knüpf­ten, um Hin­der­nis­se zu bewäl­ti­gen und uns die Geschich­te zu erschließen.

Außer­dem ver­gleich­bar in sei­ner Art von non­ver­ba­ler Erzäh­lung ist “Ari­se” mit Wer­ken wie dem glei­cher­ma­ßen stim­mungs­vol­len sowie düs­te­ren “Lim­bo” (2010) und des­sen geis­ti­gen Nach­fol­ger “Insi­de” (2016), des däni­schen Ent­wick­ler­stu­di­os “Play­dead”. Eben­so mit dem garn spin­nen­den, emo­tio­nal auf­rüt­teln­den “Unra­vel” (2016), dem atmo­sphä­risch dich­ten “Litt­le Night­ma­res” (2017) und dem visu­ell beein­dru­cken­den “Ori and the Blind Forest” (2015).

Alle die­se Spie­le erzäh­len ihre Geschich­ten wort­los, nur durch Musik, visu­el­le Rei­ze und Meta­pho­rik. Dies erzeugt ein bezau­bernd mini­ma­lis­ti­sches Gefühl, als ob die Ent­wick­ler sagen wür­den, was sind schon Wor­te, wir spre­chen in Bil­dern. Gib gut acht, dann fühlst und erlebst du die Geschich­te auf dei­ne Wei­se, mit dei­nen eige­nen emo­tio­na­len Bezugspunkten.


Bil­der sagen mehr als tau­send Worte

©
https://www.indiegamewebsite.com/2019/12/03/arise-a-simple-story-review/

Achterbahnfahrt der Gefühle

So emo­tio­nal, phi­lo­so­phisch und tief­grün­dig, wie das alles bis­her den Anschein gemacht hat, so ist es dann auch tat­säch­lich über die gesam­te Spiel­zeit von “Ari­se” und bil­det damit den roten Faden des Spiels.

Eine Ach­ter­bahn­fahrt der Gefüh­le erwar­tet Euch. Beson­ders schön auf­ge­teilt, sind die zehn Level meist in bestimm­te Stim­mun­gen oder Lebens­ab­schnit­te des weiß­bär­ti­gen Man­nes gegliedert.

Die Lis­te die­ser, liest sich bereits bezeich­nend für die Höhen und auch die Tie­fen eines jeden Lebens.

  • Sie
  • Freude
  • Fort
  • Allein
  • Romanze
  • Frucht
  • Asche
  • Trost
  • Alt
  • Hoffnung

Ja, wirk­lich jedes Level fängt eine ande­re Stim­mung ein. Oft ist es ein melan­cho­li­scher Grund­ton, den alles umgibt. Aber neben Trau­rig­keit, Ver­lust, Angst und Tod, gibt es eben­so die Freu­de, die Roman­tik, den Trost und die Hoffnung.

Sanf­te, her­aus­ra­gend pro­du­zier­te Pia­no- und Orches­ter­mu­sik, die sofort an die Kom­po­si­tio­nen aus Zei­chen­trick­fil­men des japa­ni­schen Ani­ma­ti­ons­stu­di­os “Stu­dio Ghi­b­li” erin­nern, unter­ma­len wohl­klin­gend das Gesche­hen und tra­gen so maß­geb­lich zur Stim­mung, bei der Rei­se durch die Geschich­te von “Ari­se” bei.

Die­se melan­cho­li­sche Note, kom­bi­niert mit einem redu­zier­ten comi­c­ar­ti­gen Look, mit einer jeder­zeit per­fekt aus­ge­rich­te­ten Kame­ra­per­spek­ti­ve, fan­gen eine solch male­ri­sche Stim­mung ein, wenn visu­ell fas­zi­nie­rend, Blü­ten­blät­ter über das Was­ser glei­ten und wir uns als Spie­ler direkt auf ihnen befinden.


©
https://www.blogdot.tv/shift-through-the-memories-of-a-lifetime-in-arise-a-simple-story/

Fazit

Poesie in Videospielform

“Ari­se: A Simp­le Sto­ry” ist kein Video­spiel für jeder­mann. Es ist ein Spiel für Phi­lo­so­phen und Träu­mer, für nach­denk­li­che Men­schen, die Freu­de dar­an haben, eine Basis zu erhal­ten und auf die­ses Fun­da­ment die Geschich­te selbst zu inter­pre­tie­ren. Für alle, denen es nicht wich­tig ist wie spie­le­risch anspruchs­voll ein Titel ist, son­dern wie emo­tio­nal her­aus­for­dern ein Titel ist.

Für Spie­ler die es nur noch anö­det, wenn der nächs­te Trip­le-A-Titel mit bom­bas­ti­scher Effekt-Hasche­rei und Mikro­trans­ak­tio­nen zur Berei­che­rung oder gar Abzo­cke ser­viert wird. Für Gamer die einen guten Wein schät­zen und auch fähig sind die­sen im Dschun­gel der heu­ti­gen Video­spie­le zu sehen und zu erkennen.

Die Ent­wick­ler wir­ken mit “Ari­se: A Simp­le Sto­ry” geer­det und Natur­ver­bun­den. Sie erzäh­len ver­mut­lich eine Geschich­te aus ihrem eige­nen Umfeld. Wenn Din­ge pas­sie­ren, die im Leben pas­sie­ren, ob man es will oder nicht.


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https://es.ign.com/arise-a-simple-story-ps4/158240/review/analisis-de-arise-a-simple-story-para-ps4-xbox-one-y-pc

Ein Windhauch

Wenn ein Wind­hauch unse­re Gedan­ken eben­so ergreift und davon trägt, wie den alten weiß­bär­ti­gen Mann im Spiel, möch­ten wir fas­zi­niert unser Game­pad erhe­ben, unse­re Mario Müt­ze zie­hen und uns ver­nei­gen vor so viel Ent­wick­ler­mut. Vor solch einem Kunst­werk der Bild­spra­che, wel­ches non­ver­bal mehr aus­sagt als ande­re Spie­le verbal.

Das Debüt des Stu­di­os “Pic­co­lo”, ist ein herz­er­wär­men­des, ergrei­fen­des Spiel, das unse­re Gefüh­le auf­rüt­tel­te, wie es kein Spiel in den letz­ten 20 Jah­ren geschafft hat. “Ari­se” ist eine Schön­heit von Spiel, eine meta­pho­ri­sche Rei­se durch das Leben in Form von Erin­ne­run­gen. Und es könn­te nicht pas­sen­der abschlie­ßen mit der Wid­mung der Ent­wick­ler, die zeigt wie die­ses Werk aus tiefs­tem Her­zen ent­sprun­gen ist und wie tief es dort eben­so ver­wur­zelt ist.


An unse­re Liebs­tenPic­co­lo Studio
©
https://www.gamersglobal.de/galerie/164168

 

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